Es ist schon erstaunlich, zu welchen Mitteln manche Schachspieler greifen, wenn ihnen gar nichts mehr einfällt!
Bei Uli führte das bevorstehende "Endspiel" um die Vereinsmeisterschaft
gegen Ferdi, in dem ihm mit Weiß ein Unentschieden zur Meisterschaft reichen
würde, zu einer am ehesten als semi-fatalistisch zu bezeichnenden Stimmung.
Zwar war die Ausgangslage für ihn objektiv gesehen günstig, aber was
ist noch "objektiv" nach mindestens fünf Dutzend Turnierpartien
gegen Ferdi mit einer Erfolgsquote von ca. 25 Prozent. Und (Pokal-)Endspiele
gingen bisher ausnahmslos in die Hose. Zudem war ihm in dieser Saison mit Weiß
weder in der Mannschaft (0:5!!) noch im Vereinsturnier (3:1) ein Remis geglückt.
Was macht der Mensch, wenn er das Gefühl hat, sein Schicksal kaum noch
beeinflussen zu können? Er legt es in die Hände höherer Mächte.
Probate Utensilien zur Kontaktaufnahme mit diesen sind z.B. hellblaue Pullover,
mit frommen Sprüchen bedruckte Unterhemden oder Anhänger mit dem Bild
der Liebsten.
Da Uli nicht wirklich abergläubisch ist, fiel diese Art der Schicksalsbeeinflussung
flach. Aber irgendetwas musste es doch geben, das den Spielstärkeunterschied
- vom Eröffnungsrepertoire ganz zu schweigen - kompensieren konnte?!
Die Wahrheit lag in diesem Fall im Goldfischteich. Für jemanden, der so
oft im Trüben fischen muss, eigentlich naheliegend.
Plötzlich war klar, dass der Ausgang der Entscheidungspartie von den beiden
erst in diesem Frühjahr zugewanderten Fröschen abhing. Würden
sich beide zeigen, war der Sieg sicher. Einer würde noch für ein Remis
reichen...
Unser Mann stand also mit flatterndem Blick am Rand des völlig verkrauteten
und mit Seerosen bedeckten Teichs.
Frösche sind ein Wunder der Natur. Farblich kaum von der Umgebung zu unterscheiden,
verharren sie völlig bewegungslos und warten auf Beute. Viel mehr als die
Augen ragt dabei nicht aus dem Wasser. Irgendwann macht es dann mal "platsch"
- oder auch nicht.
Es folgte ein minutenlanges, verzweifeltes, zentimeterweises Absuchen der Wasseroberfläche
und des Uferrandes. Natürlich war keines dieser Biester zu sehen! Warum
sollten ausgerechnet diese kaltherzigen Fressmaschinen ... PLATSCH!!!!
Da war er, dieser kleine Dreckskerl, der bis zur Ankunft seiner Lebensabschnittsgefährtin
jede Nachtruhe mit seinen Brunftschreien beendet hatte.
Das konnte einfach kein Zufall sein!
Vor der Partie lachte Ferdi noch über diese Geschichte.
Nachher lachte er auch - wahrscheinlich aus Erleichterung darüber, dass
der "Nachwuchs" endlich auch mal wieder etwas zu feiern hatte.