Am Ende gab es Standing Ovations und die Siegerin verdrückte
ein paar Freudentränchen. Na na, wird sich mancher fragen, seit wann haben
wir denn so nah am Wasser gebaut, Frau Doktor? Bergit gerührt? Aber wieso
Bergit? Renate!!
Renate Niebling trat an diesem Freitag endgültig in die Fußstapfen
ihres Vaters und ließ in einem an Spannung kaum zu überbietenden
Blitzturnier die beiden Favoriten Dr. Michael Tischendorf und Dr. Bergit Brendel
und alle anderen hinter sich! Aber der Reihe nach.
Zunächst war die Enttäuschung groß. Gerade einmal sechs Teilnehmer
beim letzten Turnier der Blitzserie! Auch Olli Brendel wollte seine Bergit im
Kampf um den Gesamtsieg nur moralisch unterstützen ("Sonst heißt
es doch gleich wieder 'Schiebung', wenn ich gegen sie verliere.") Bei weniger
als acht Teilnehmern durfte doppelrundig gespielt werden, was auch beschlossen
wurde, um dem Zufall nicht Tür und Tor zu öffnen.
Die Ausgangslage war klar. Um Meisterin zu werden, musste Bergit mindestens
4,5 Punkte machen und durfte höchstens einen Punkt hinter Michael liegen.
In allen anderen Fällen war Michael durch.
Die beiden Favoriten legten gleich einen ziemlichen Doppelfehlstart hin. Michael
ließ sich von Claus "Remici" H. einschläfern und landete
in einem trostlosen Endspiel mit ungleichen Läufern, das er wahrscheinlich
noch ewig weitergegeigt hätte (der Fluch der additiven 2 Sekunden pro Zug),
wäre nicht irgendwann Ersatzturnierleiter Markus eingeschritten. Bergit
hatte in einer Opferorgie Renates Königsflügel zertrümmert. Zum
Schluss reichte das Material dann aber gerade noch für ein Dauerschach.
In Runde zwei sah Michael nach der Niederlage gegen Bergit seine Felle schon
fast davonschwimmen. Bergit wiederum patzte eine Runde später gegen Claus,
während Michael gegen Renate standesgemäß(?) ein Matt in höchstens
15 Zügen auf's Brett zauberte.
In diesem Stil ging es weiter. Irgendwie wirkten die beiden Titelkonkurrenten
abwechselnd entfesselt und dann wieder gehemmt. Das lag zum Teil wohl auch an
Olli, der sich - schon etwas auffällig - meistens hinter Bergits Gegner
platzierte.
Bei der Konzentration auf die beiden Topleute fiel zunächst nicht auf,
was sich da so an Renates Brett abspielte. Spätestens aber als sie dann
in der vierten Runde, nach dem etwas glücklichen Sieg in der zweiten gegen
Claus, den Präsidenten Markus mitten auf dem Brett Matt setzte, rieb man
sich verwundert die Augen. Zwischenstand nach der Vorrunde: Michael, Bergit
und Renate mit 3,5 Punkten an der Spitze.
Renates Vorgehensweise war dabei jedesmal ähnlich gewesen. Zunächst
ein bisschen lockeres Gebabbel (um den Gegner einzulullen?). Irgendwann ein
Aufstöhnen auf der Gegenseite. Dann war's eine zeitlang ruhig und schließlich
unter leichtem Kopfschütteln die Kapitulation ihres Opfers. Mit dem Unterschätzen
war es jedenfalls jetzt vorbei.
Die Rückrunde begann turbulent. Am Damenbrett war nach
einem warnenden Fauchen Bergits zunächst Funkstille. Offensichtlich hatte
man Renates Masche durchschaut! Zwei, drei Minuten kein Laut, dann auf einmal
Getöse! "Hol mir lieber'n Bier, statt die Augen zu verdrehen!"
Irgendwie schien Ollis Beistand gerade nicht erwünscht zu sein. Abgelenkt
durch die etwas entglittene Mimik ihres Göttergatten hatte Bergit die Dame
eingestellt! Da war nichts mehr zu machen. Und Michael? Der war zwischenzeitlich
wieder eingeschlafen gewesen! Selbst schuld, wenn er sich von Clausi alles abtauschen
lässt! Renate allein in Front!
Der Kampf um den Gesamtsieg war in den Hintergrund gedrängt. Hier bahnte
sich etwas Unerhörtes an!
In Runde 7 dann ein schnelles Remis zwischen Renate und Claus. Spielt sie schon
auf ankommen? Tischi war auch in der zweiten Partie gegen Bergit chancenlos.
Wieder musste Olli als Sündenbock herhalten. "Du machst doch die ganze
Zeit Faxen! Gibst Du ihr Zeichen, oder was?", wurde er von seinem Freund
Michael angeraunzt. Die Nerven!
In Runde 9 dann der vorläufige Stimmungshöhepunkt. Unser lieber Andreas
von seiner Niederlagenserie völlig unberührt, dafür aber umso
mehr von Renates Sturmlauf euphorisiert, griff tief in die (schmutzige) Trickkiste:
"Hier Bergit, bevor Du verdurstest." Nahm sein frisches Hefeweizen
und knallte es so heftig mitten auf's Brett, dass sogar ein paar Figuren wegspritzten.
Die Uhr wurde angehalten, Markus besah sich den Stellungsschaden und entschied
dann auf weiterspielen. Bergit völlig konsterniert, versuchte die Klötzchen
wieder zu richten. Ob das nicht ganz gelungen oder doch die Uhr weitergelaufen
war, egal - jedenfalls überschritt sie in Gewinnstellung die Zeit! Jetzt
war wirklich Feuer unter'm Dach!
Die Einzige, die das anscheinend völlig kalt ließ, war Renate. Stand
vor der letzten Runde: Renate und Michael gemeinsam mit 6,0 Punkten an der Spitze.
Renate hatte mit Andreas eigentlich den Wunschgegner für diese Konstellation.
Aber nach seinem Sieg gegen Bergit spielte er wie aufgedreht. Keine Spur von
Schützenhilfe unter Vorstandsmitgliedern! Es wurde gekämpft bis zur
letzten Patrone und die Vizepräsidentin rettete sich mit Mühe ins
Remis. Dafür hatte jetzt der Präsident seinen großen Auftritt.
Endlich konnte er einmal seine Drachenvariante in Reinform bis zum 22. Zug auf's
Brett bringen. Das war für Michael mindestens ein Zug zuviel. Sieg für
den Präsi, der damit seine treueste Helferin ganz nach oben auf's Siegertreppchen
hievte.
Bei der anschließenden Siegerehrung gab's dann den schon erwähnten
tosenden Beifall und vorbei war es mit Renates zur Schau getragener Coolness.
Der Abend hätte so schön ausklingen können, wenn nicht Markus
kurz darauf Bergits Gesamtsieg - die Gesamtwertung wäre in der Renate-Manie
fast vergessen worden - verkündet hätte.
Kaum hatte sich Bergit von ihrer freudigen Überraschung erholt - wann wird
man schon mit 50% im letzten Turnier Blitzmeisterin -, ging der Ärger los.
"Wenn Olli nicht dabei gewesen wäre, hättest Du nicht einmal
die paar Punkte geholt!" konnte Michael seine Enttäuschung nicht unterdrücken.
Ein Wort gab das andere, Bergits Gesichtszüge fingen langsam an zu vereisen,
bis sie plötzlich aufsprang:" Das höre ich mir nicht mehr länger
an! Olli, wir gehn!" Und weg war sie, Olli Schulter zuckend hinterher.
Betretenes Schweigen. Gab es wirklich die vermutete Einflussnahme? Man beschloss,
nichts zu beschließen und den Beschuldigten bei nächster Gelegenheit
einer intensiven Befragung zu unterziehen. Ein unschönes Ende, aber vielleicht
klärt sich ja noch alles auf.
Osterblitzturnier
Vorläufiger Endstand